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Kapitän Wolf Kaiser – Multitalent auf allen Weltmeeren

Nautiker, Autor, Bastler und Künstlerseele: Wolf Kaiser hat viele Fähigkeiten. Eine Bilanz zum Abschied nach 40 Jahren auf See und wie man aus koreanischem Klopapier und mexikanischem Holzleim Skulpturen baut.

Bei einem so langen Seemannsleben weiß man gar nicht, womit man anfangen soll. Bei der lehrreichen Matrosenzeit in der DDR und der ersten Fahrt nach Kuba, die für den damals 16-jährigen Wolfgang das Tor zur Welt bedeutete? Der Liebe zum Kochen und wie er später so manchem Smutje deutsche Hausmannskost beibrachte? Bei den Wendejahren, die ein völlig neues Leben auf See bedeuteten? Oder doch mit einer drohenden Messerstecherei an Bord, die er beherzt beendete? Nachzulesen ist das alles in den bald sechsbändigen Lebenserinnerungen „Klor bi Anker“ von Kapitän Wolf A. Kaiser. In Rostock, wo seine Reise einst begann, treffen wir einen gutgelaunten Kapitän Kaiser bei Türkischem Kaffee und Schweizer Gebäck.

Die Anfänge: nah am Wasser, weit in die Ferne

„Meine früheste Begegnung mit der Seefahrt war mein ,Opa Schiff‘, Kapitän bei der ,Weißen Flotte‘ in Berlin, den wir oft besuchten. Ich war vier oder fünf und schwer beeindruckt, dass er einfach so ein Schiff steuern konnte. Dann kam dieser eine Tag, als er mit seinem Kumpel Reinhard vor einer großen Weltkarte im Klassenraum stand: „Wir betrachteten die Meere und Kontinente, lasen exotische Namen wie Surabaya, Djakarta, Singapur – da packte uns das Fernweh“, erzählt der Kapitän. Seine Lehrjahre begannen auf der Georg Büchner, einem Fracht- und Ausbildungsschiff mit Platz für bis zu 190 Lehrlingen. „Die erste Fahrt nach Kuba werde ich nie vergessen. Wir waren rund 14 Tage unterwegs, hatten die ganze Zeit über gutes Wetter. Sahen erstmals die Azoren. Der Alte fuhr extra näher ran, damit wir mehr sehen konnten.“ Heimweh packte den jungen Mann kein einziges Mal, im Gegenteil, er verliebte sich in eine Kubanerin, genoss die freie Zeit am Strand und das Bier. Geladen wurde damals hauptsächlich Zucker.


Weiter ging es mit der MS Rostock, zwei mal fünf Monate nach Fernost. „Frische Luft, der Blick auf See. Sterne schießen, Knoten, Navigieren, das wollte ich!“ Chief Mate werden oder gar Kapitän, kam ihm damals nicht in den Sinn. „Diese Verantwortung – unvorstellbar!“, erinnert sich Wolf Kaiser. Aber mit der Zeit kam die Erfahrung und aus dem bisweilen aufmüpfigen Lehrling wurde ein erfahrener Matrose und guter Beobachter. „Und wenn Du dann plötzlich denkst, Mensch, das kann ich doch auch, ist doch kein Zauberwerk...“ So folgten Studium und erste Jahre als Dritter, schließlich als zweiter Offizier.

Wendejahre, der Weg nach Hamburg und wie man eine Messerstecherei verhindert

Mit der Wende 1989 begann ein neues Kapitel: „Im Herbst 1989 waren wir mit der MS „Ernst Moritz Arndt“ nach Kuba unterwegs. Als der Funker uns wissen ließ, dass die Mauer gefallen war, konnten wir es alle nicht fassen. Offiziell hatte uns niemand informiert. Es waren beginnende chaotische Zustände, weil einige jetzt zaghaft die Hierarchie an Bord in Frage stellten. Wolfgang Kaiser macht keinen Hehl daraus, dass ihn die Wende erschütterte: „Ich brauchte ein paar Jahre, um das in Gänze verarbeiten, schließlich hatte ich mal an dieses Land geglaubt, auch wenn die Partei schon früher mit der Zeit für mich unglaubwürdiger wurde.“ Bei der DSR stand der junge Offizier, verheiratet, aber ohne Kinder, ganz oben auf der Liste derer, die als erste gehen mussten. Bei rund 30 Schifffahrtsunternehmen bewarb er sich. Auch bei Hapag-Lloyd, erhielt aber hier erst mal eine Absage. Eine andere Hamburger Reederei stellte ihn ein.

Unzählige Fahrten auf Bananenfrachtern und Containerschiffen um die ganze Welt folgten, seit 1997 als Kapitän. „Ich habe ja gefühlt schon immer geschrieben, aber als Kapitän hat mir das Schreiben besonders geholfen“, resümiert er. Aufgeschrieben hat Wolf Kaiser damals auch eine bedrohliche Messerstecherei: „Wir waren mit einem 1700 TEU-Schiff in der Karibik unterwegs.“ Einer der wachhabenden Seeleute verletzte wissentlich seine Dienstpflichten und riskierte so einen erheblichen Maschinenschaden. „Das gab nach einigem Hin und Her einen offiziellen Eintrag ins Schiffstagebuch“, so Kaiser. „Nachts hörte ich dann plötzlich Geräusche, ein wildes Schlagen an der Wand. Ich raus und sehe auf dem Gang eben jenen verwarnten Seemann mit wirrem Blick und langem Messer, mit dem er auf die Tür des Chief Ingenieurs einhackte. Schließlich konnte ich ihn mit Pfefferspray und einem kleinen Schweinetreiber außer Gefecht setzen. „Dem Chief Ingenieurs habe ich so wohl das Leben gerettet“, berichtet Wolf Kaiser nicht ohne Stolz.
 

Zu Hapag-Lloyd wechseln? Beste Idee!

Nach 15 Jahren beschloss der Kapitän zwangsläufig, sich noch mal umzuschauen. Bei Hapag-Lloyd arbeitete ein ehemaliger Studienkollege, der ihn ermutigte, sich hier zu bewerben. Vier Einstellungsgespräche und die Frage, ob er zum nächsten Gespräch nicht doch einen Anzug anziehen könne, folgten. „Ich hatte keinen dabei“, lacht Wolf Kaiser vergnügt. Anzug und Schlips besorgte er sich noch am selben Abend. Den Vertrag hätte er wohl auch ohne bekommen.

Ob es auch mit Hapag-Lloyd Abenteuer zu bestehen gab? Keine Frage! „Mit der London Express waren wir von Asien kommend in Richtung Seattle/San Francisco auf dem Pazifik unterwegs. Mein zweiter Einsatz auf dem Schiff. Das erste Tief lag so ungünstig, dass wir den Kurs erst mal an den Kurilen hochsetzen mussten, ehe wir den Sprung zu den Aleuten rüber wagten. Aber dann bildete sich südlich von uns mit Hurrikanstärke ein zweites mächtiges Tief.“ „Ich entschied mich für einen Stopp. Während dessen entdeckten wir bei einer Routineuntersuchung einen kaputten Zylinderkopf der Hauptmaschine – eine anstrengende und vor allem langwierige Reparatur. Gegen Mitternacht machte ich dann schnell zwei Büchsen Würstchen warm und brachte sie mit frisch aufgebackenen Baguettes den hart schuftenden Maschinisten. Die fielen aus allen Wolken, so was hatten die noch nie erlebt!“

In guten wie in schlechten Zeiten: Auszeit und Wiedereinstieg

Eine Lungenerkrankung setzte den sonst so robusten Kapitän 2013 außer Gefecht. „Aber ich habe mich zurück gekämpft ins Leben und bin heute nicht nur meiner Frau und ein paar klugen Ärzten dankbar, sondern auch meinem Arbeitgeber Hapag-Lloyd, der mich in dieser schwierigen Zeit großartig begleitet und unterstützt hat.“

Im November 2014 übernahm der frisch genesene und voll rehabilitierte Kapitän die Rotterdam Express. Fragt man ihn heute, nach all den Jahren, was er jungen Kolleginnen und Kollegen mit auf den Weg gibt, ist seine Antwort eindeutig: „Du musst ein Macher sein! Wenn es Dich wirklich packt und Du für die Sache brennst, dann zieh es durch. Dann siehst du keine Probleme mehr, sondern allenfalls Herausforderungen, an denen Du wachsen kannst!“

Und wie war noch mal die Geschichte mit den Skulpturen aus koreanischen Klopapier und dem Holzleim aus Mexiko? „Beides hatten wir an Bord, als wir mit der Düsseldorf Express von Mexiko rüber nach Japan fuhren – und da ich statt abends Bier zu trinken lieber etwas bastle, rührte ich beides zusammen. Daraus entstand dann dieser exotische Sägefisch“, Kapitän Wolf Kaiser zeigt auf eine beeindruckende Skulptur auf der Fensterbank. Es könnten möglicherweise noch ein paar hinzu kommen in nächster Zeit: „Aber erst, wenn ich mit dem letzten der sechs Bände meiner Aufzeichnungen fertig bin!“ lacht der sympathische Mann.  

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